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Kagegorie Business und Finanzen

Gudrun Höfner GF ITworks: Gemeine Datenabzapfung bei Langzeitarbeitslosen

"Handeln wir mitarbeiterInnenorientiert, gender- und diversitysensibel," heißt es im "Leitbild" der Firma "itworks Personalservice gemeinnützige Arbeits- kräfteüberlassung GmbH", denn "die Menschen, ihre Bedürfnisse und persönlichen Herausforderungen stehen im Vordergrund". Danach ist noch von "respektvollem Umgang, Wertschätzung und einem individuellen Betreuungsverhältnis" die Rede - man ahnt es schon: Wer mit sovielen hehren Worten herumschmeißt, hat etwas ganz anderes vor. Die gelebte Realität dieser Firma, die beim Eintreffen des "individuell Betreuten" bereits über seine Daten samt Sozialversicherungsnummer aus dem Arbeitsmarktservice verfügt, sieht anders aus. Die "gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung" bedeutet nämlich "Leiharbeiterfirma", die Arbeitssuchenden werden - auf freiwilliger Basis - dazu "motiviert" einen umfassenden Fragebogen auszufüllen, zum Zwecke schnellerer Arbeitsvermittlung. Gender- und diversitysensibel wird da abgefragt, ob die bisherigen Beschäftigungen einvernehmlich aufgelöst wurden oder nicht. Dazu kommt eine ganze Latte von Fragen nach persönlichen Problemen, wie es die Arbeitssuchenden mit Drogen, Alkohol, Spielsucht, oder Medikamentenkonsum halten - und nach schon getilgten Vorstrafen wird auch gefragt. Das dies nur der Ausdruck des "respektvollen Umgangs" und der "Wertschätzung" sein sollte, die itworks den solchermaßen Betreuten entgegenbringt, hat sich in den Webforen zum Thema Arbeitslosigkeit noch nicht herumgesprochen. Die Leute haben vielmehr Angst.

Begründung der Jury

Die Wahl in dieser Kategorie war für die Jury trotz ambitionierter Gegenkandidaten letzlich doch einfach. Und das nicht etwa, weil die Firma Itworks etwa die einzige Firma wäre, die derartige "Services" für das AMS abwickelt, oder sie das in ganz besonderds auffälliger Weise täte. Der Fall steht vielmehr stellvertretend für den Umgang mit Menschen, die ohnehin täglich mit der Verzweiflung kämpfen müssen, weil sie im Eck des individuellen Schuldenkäfigs sitzen: wehrlos und allein.

Kategorie Politik

Josef Pröll [ÖVP]: Transparente Bürger, intransparente Politik

Auch wenn er selbst [Morgenjournal 2.9. 2010] beteuerte, dass "die absolut strengen Grundlagen des Datenschutzes aufrechterhalten" würden - was Josef Pröll da im Namen der "Transparenz" so eingefallen ist, spricht dieser Behauptung Hohn. Da wird eine riesige, zentrale Datenbank errichtet, die bald über jeden Einwohner der Republik ein eigenes Finanzdossier enthalten wird. Alle bisherigen Bemühungen, einen Schutz vor der Zusammenführung völlig unterschiedlicher Lebensbereiche, wie sie etwa die "bereichsspezifische Personenkennzahl" bietet, wird damit zunichte gemacht. Es ist die Sozialversicherungsnummer, die personenbezogene Vorgänge aus dem Familienleben, Alltag, Gesundheit und Beruf verknüpft. Derartige hochintgre, gut gepflegte und stets aktuelle Datensätze, die sämtliche Zahlungen Bürger-Staat und umgekehrt abbilden, aber werden unwiderstehliche Objekte der Begierde korrupter Bürokraten, Erpresser und anderem Gelichter sein. Und so gehen die Parteien vor, wenn es sie selbst betrifft: Wie die Rechnungshofberichte zeigen, wird nur ein Bruchteil der etwa 300 Millionen Euro, die von den Parteien pro Jahr zusammen lukriert werden, dem Rechnungshof gemeldet. Sanktionen bei Fehlinformationen gibt es nicht.

Begründung der Jury

Wie die seit 19 Oktober fix beschlossene "Transparenzdatenbank" genau aussehen soll, ist noch nicht im Detail bekannt. Die ersten über Josef Prölls Idee bekanntgewordenen Informationen zur Umsetzung dieses neuen Datenbankmolochs, laufen auf die direkte Verknüpfbarkeit der Datensätze aus den einzelnen Ministerien hinaus. Ein besonderes Anliegen war es der Jury, das ungeheure Transparenzgefälle zwischen Parteien und Bürger aufzuzeigen: Hie der gläserne Bürger, dort ein weitgehend opakes Parteienfinanzierungssystem.

Kategorie Behörden und Verwaltung

Staatssanwaltschaft Wien: Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren

Rechtstitel bestand in Österreich zwar keiner, Amtshilfe wurde für die Staatsanwaltschaft München trotzdem geleistet - auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien wurden zwei österreichische Journalisten, die für ein österreichisches Medium [profil] arbeiten als "Beschuldigte" zur Einvernahme in das Landeskriminalamt Wien bestellt. Bloßes Zitieren aus den Gerichtsakten eines laufenden Verfahrens ist in Österreich legal und stellt keinen Straftatbestand wie in Deutschland da. Da Ähnliches aus gleichem Anlass drei weiteren österreichischen Journalisten [News, Wirtschaftsblatt] widerfuhr, drängt sich schon der Verdacht auf, dass es sich dabei weniger um juristische Inkompetenz, sondern vielmehr um Methode handelt. Dieselbe Staatsanwaltschaft Wien ist nämlich zeitgleich durch einen eigenwilligen Umgang mit dem Terrorismusparagrafen aufgefallen, wegen zweier Mistkübelbrände wurde über vier Studierende eine mehrwöchige Untersuchungshaft verhängt. Die solchem Ungeist eng verwandte Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wendet den genannten Paragrafen 278a ("Terroristische Vereinigung") hingegen vorzüglich auf Tierschutzaktivisten an. Was die Verfolgung von Journalisten angeht, so hat es den Niederösterreichern weniger der Printbereich, als vielmehr Video angetan. Gegen einen TV-Dokumentaristen [ORF] und zwei Skinheads wird gleichermaßen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung ermittelt, Anlaß dafür: Ein Zuruf von Heinz Christian Strache [FPÖ]. Die Staatsanwaltschaft reagierte prompt und ordnete die Beschlagnahme des gesamten Drehmaterials an.

Begründung der Jury

Die Entscheidung in dieser Kategorie war nicht ganz einfach, als hartnäckigster Konkurrent erwies sich der beschämende Striptease den Neo-Österreicher abolsvieren müssen. Letztendlich standen dann doch die Staatsanwaltschaften am tiefsten in der Ungunst der Jury. Der wiederholten Versuche, Deutsches Recht in Österreich umzusetzen, nur weil den Staatsanwaltschaften offenbar ein Paragraf gar so gut gefällt, der Zitieren aus Gerichtsakten unter Strafe stellt, waren die letzten Tiefpunkte einer Entwicklung, die konsequent in eine Richtung ging.

Kategorie Kommunikation und Marketing

T-Mobile Austria: Big Brother Netzbetreiber stellt sich dumm

"Wenn Sie unerwünschte Kurznachrichten erhalten haben und Ihnen dafür Gebühren angefallen sind" dann tut das T-Mobile zwar leid, man hat aber "leider keinen Einfluss darauf, ob und an wen diese SMS versendet werden", da dies von Drittfirmen geschehe."Für uns ist nicht nachvollziehbar ob/wie ... und wann dieser Mehrwert-Dienst angemeldet bzw. bestellt wurde – dies kann nur der Dienstanbieter." T-Mobile weiß also nichts, hat keinen Einfluss und kann nicht nachvollziehen, was im eigenen proprietären T-Mobile-Netz geschieht - wie gut, dass wenigstens das Billing klaglos funktioniert. Monate nach den ersten Beschwerden über massenhaft versandte, betrügerische Mehrwert-SMS, die pro Stück mit fünf Euro [!] vergebührt wurden, kassierte der Mobilnetzbetreiber immer noch dabei mit, anstatt die Betrüger aus dem Netz zu werfen, oder die Mehrwertdienste sofort zu deaktivieren. Eine Reaktion erfolgte erst, wenn ein Kunde den Betrug bemerkt und sich beschwert hatte. Und dann hatte man seitens des Netzbetreibers noch die Stirn, das als "kulant" zu bezeichnen: "Im Sinne der Kundenzufriedenheit haben wir uns dazu entschlossen aus Kulanz die Gebühren der verrechneten Mehrwertdienste zu übernehmen." Das ist Big Brother Netzbetreiber, der sich dumm stellt, solange das Inkasso funktioniert. Er kann sich darauf verlassen, dass der Kunde ohnehin keine Chance hat, die tatsächlichen Vorgänge im proprietären Netz von T-Mobile auch nur im Ansatz nachzuvollziehen.

Begründung der Jury

Die Jury hat sich erstens deshalb so entschieden, weil die Mehrwert-SMS-Abzocke leider ein Dauerbrenner für die österreichischen Mobilfunkkunden ist. Weitaus die meisten, vorliegenden Beschwerden betreffen das Netz von T-Mobile. Obwohl das Unternehmen seine Kunden ganz offensichtlich nicht vor massiver Abzocke durch Betrüger schützen kann - kassiert man ungerührt erst einmal mit ab. Und das geschieht solange, bis der Kunde den Betrug bemerkt und sich beschwert. Erst dann werden die Mehrwertnummern von T-Mobile gesperrt, was wiederum nur lückenhaft funktioniert.

Kategorie Lebenslanges Ärgernis

Die Internetabsperrer

Die amtlichen Stopptaferlaufsteller, deren Vorgangsweise - Manipulation des Domain Name Systems - jener der Phishing-Betrüger technisch zum Verwechseln ähnlich ist, sind nicht die einzigen Internetabsperrer. Massives Interesse daran hat auch die Medien- und Unterhaltungsindustrie, sowie jene Politiker, die sich von dieser Lobby Vorteile für die Öffentlichkeitsarbeit versprechen. In welch engem Verhältnis zwei völlig ungleiche Delikte wie Downloads von urheberrechtsgeschütztem Material und sexueller Missbrauch von Kindern stehen, lassen wir am besten einen Vertreter der genannten Lobby selbst erklären. Wörtliches Zitat von Johan Schlüter, Anwalt und Lobbyist der International Federation of Phonographic Industries in Dänemark auf einer Veranstaltung der amerikanischen Handelskammer in Stockholm am 27. Mai 2007: "Kinderpornografie ist großartig, weil sie von Politikern verstanden wird. Wenn wir diese Karte spielen, kriegen wir sie dazu, zu handeln und Websperren einzuführen. Wenn das geschafft ist, werden sie auch bereit sein, Filesharing-Sites zu blockieren."

Kategorie Volkswahl

Claudia Bandion-Ortner [ÖVP], Justizministerin

Wie der Verlauf dieser Gala zeigt, haben sich die Ministerinnen und Minister der ÖVP im Jahr 2010 nachgerade um diese Preise angestellt. Trotz eines veritablen Kraftakts in letzter Minute - kleine Mädchen der Mutter wegnehmen und in Schubhaft stecken - hat es für Innernministerin Maria Fekter heuer trotzdem nicht gereicht. Claudia Bandion-Ortner war in der Ungunst des Publikums heuer einfach nicht zu schlagen. Während die Gangster mit den weißen Kragen weiterhin frei herumlaufen, weil partout keine Anklage gelingen will, verhängte man unter ihrer Ägide als Justizministerin wegen eines brennenden Mistkübels zum Beispiel mehrwöchige Untersuchungshaft über vier jungen Menschen. Das sogenannte Terrorismuspräventionsgesetz hat nämlich zivilen Ungehorsam in prekäre Nähe zur schweren Kriminalität gerückt. Der Muff von tausend Jahren, der uns 2010 aus den Staatsanwaltschaften entgegenweht, musste man nicht erst aus Deutschland importieren, denn der ist hausgemacht: Im Bundesministerium für Justiz.

Defensor Libertatis

John Young et al. für das Projekt Cryptome

Was ein Mensch für die Weltöffentlichkeit bewirken kann, beweist der New Yorker Architekt John Young. Seit 1996 haben sich auf der von ihm verantworteten Website Cryptome.org mehr als 56.000 Dokumente angesammelt, deren Verfügbarkeit Regierungen rund um die Welt ein permanenter Dorn im Auge ist. Wenn Meldungen über im Internet veröffentlichte Namenslisten von MI6 oder CIA-Agenten durch die Breitenmedien gingen, dann fanden sich diese Listen in Zeiten vor Wikileaks stets auf Cryptome. John und seine langjährige Partnerin, die Kartografin Deborah Natsios stellen Cryptome seit Mitte der 90er Jahre diese Plattform zur Verfügung. Seit 1995 wird sie von einer weltweiten Community - zu der unter anderen die legendären Cypherpunks gehören - dazu benutzt, geheimgehaltene, unterdrückte oder sonstwie zensurierte Dokumente der Weltöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Wann immer es in der Vergangenheit zu riskant erschien, gewisse, eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Dokumente europäischen Ursprungs im EU-Raum ins Netz zu stellen, genügte eine Mail an John und schon waren sie öffentlich. Cryptome hat sich im Lauf der Jahre mit praktischem jedem Protagonisten des militärisch-elektronischen Überwachungskomplexes [nicht nur] der Vereinigten Staaten von Amerika angelegt: Mit vielen davon auch persönlich, weil John Young den grassierenden Überwachungswahn ganz persönlich nimmt.

Für ein Leben im Kampf gegen Überwachung und Zensur und für nachgerade beängstigenden Mut wird deshalb der "Defensor Libertatis" an den Verteidiger der Freiheit, John Young verliehen. Für uns und alle anderen aber bedeutet dieses Vorbild: Schafft ein zwei, drei, viele Cryptomes! Schafft ein, zwei, drei - schafft viele Wikileaks!

Reaktion von Cryptome

Thanks everyone and you in particular for the distinguished award. We listened to most of it, albeit crippled by minimal knowledge of German. Mother of all Wikileaks we heard clearly, thank you. 1. The honor should go to Cryptome, a collaboration of thousands, not to John Young, the backroom grunt who provides janitorial labor.

2. A principal collaborator is my long-time Cryptome partner, Deborah Natsios, who also avoids the spotlight in favor of quiet scholarship. I do that too but keep it even quieter.

3. Celebrating Cryptome should encourage others to do something similar, as you say, one, two, three and beyond. As Wikileaks was encouraged, and as it will inspire others to do.

4. Quintessenz is a collaborator, as are cypherpunks, and multitudes of others around the world, many preferring to remain anonymous and not seek celebrity over public service.

5. Cryptome could not happen without the vast opportunities of the collaborative Internet to avoid the constricted control of heirarchical authoritatives -- who will forever attempt to use the Internet to maintain control as if a god-given responsibility.

6. Disobedience of authoritatives is essential, as the Big Brother Awards amply evidence.