-- Big Brother Awards Austria 2007 -- Datenschutz ist Menschenrecht --

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Aus Big Brother Awards 2007

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Die Jury und das Publikum haben entschieden: die Big Brother Awards Austria 2007 gehen an ...


[bearbeiten] Business und Finanzen

[bearbeiten] Heinrich Frey, Taxi-Innung: Videoüberwachung in Taxis

Es gibt wohl kein zweites Gewerbe, in dem die Mitarbeiter so lückenlos überwacht werden wie im Taxi-Geschäft. Es begann beim Datenfunk, der längst über detaillierte persönliche Datensätze jedes einzelnen Fahrers verfügt, ging dann über die GPS-Daten der Bewegungen des Fahrzeugs, die sowohl live übermittelt wie dauerhaft gespeichert werden. Bis hin zur physischen Kontrolle der Fahrer selbst, die von Infrarot-Sitzkontaktsystemen - einem "Verkaufsschlager" laut Vertriebsfirma RTS - laufend kontrolliert werden, ob sie gerade am Steuer sitzen. Und jetzt: Wurde von der RTS und der Taxi-Innung der Wirtschaftskammer auch noch die Einführung der Videoüberwachung in den Taxis durchgesetzt. Ein dreistes Stück an Manipulation spielte sich wenige Tage nach der Beerdigung eines im Jänner ermordeten Taxifahrers ab, inszeniert von Frey persönlich. Man lud zu einer "Informationsveranstaltung" der Taxi-Innung, die zu einer Art Verkaufsshow der genannten Firma wurde. "Unauffällig, leicht und diskret zu installieren" nimmt ein Mini-Digitalrekorder entweder dauernd oder mit Bewegungsmelder auf, was so im Wagen passiert. Kosten: Knapp über € 400,- inklusive Hilfe bei lästigen Formalitäten für die Datenschutzkommission. Versichert wird, dass die Daten nach 48 Stunden gelöscht werden, Garantien gibt es nicht. Für die Jury war das ein besonders krasses Beispiel, wie Schritt für Schritt die totale Überwachung in einem vordem doch sehr privaten Bereich eingeführt wird.

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[bearbeiten] Politik

[bearbeiten] Unterrichtsministerin Claudia Schmied [SPÖ]: Bildungsdatenbank bleibt verknüpfbar

Aufgrund der jüngsten Entwicklungen wird der Preis nicht verliehen aber in Evidenz gehalten.

Als man noch in der Opposition war, hatte die SPÖ das Bildungsdokumentationsgesetz als "überschießend, unzumutbar" und "absoluten Skandal" bewertet. Neben Stammdaten enthält diese "Bildungsevidenz" auch Daten wie Schulverweise, Besuch von Ethik- oder Religionsunterricht, Bedarf an Förderunterricht, wie alle "Nicht genügend", Nachzipfe, Klassenbucheinträge und soziale Auffälligkeiten. Als die neu zuständige Ministerin Claudia Schmied antrat, um das jahrelang heftig umstrittene Gesetz zu sanieren, wurde ein Novellenentwurf vorgelegt, der neben etwas Verbesserungskosmetik sogar Verschlechterungen beim Rechtsschutz der Schüler und Datenzugriffsrechte für noch mehr Behörden vorsah.

Gut eine Woche vor den Big Brother Awards passierte eine offenbar in letzter Minute in einzelnen Punkten entschärfte Version den Ministerrat, die erst am 23. Oktober bekannt wurde. Unter anderem werden darin die Zugriffsrechte auf Schulbehörden beschränkt und objektiv gesehen einige der jahrelang geforderten Schutzmaßnahmen umgesetzt.

Der zentrale Kritikpunkt aber bleibt. Die Sozialversicherungsnummer, die in einer Unzahl anderer Datensammlungen enthalten ist, bleibt weiterhin die hauptsächliche Kennzahl bei der Statistik Österreich und mit dem Gesamtdatensatz verknüpft. Der revidierte Gesetzesentwurf enthält nicht mehr als eine Absichtserklärung, im Jahre 2009 Alternativen zur SVNR zu finden. Nur über diese Nummer, die als wichtigste Kennzahl jedes Individuum über den gesamten Lebensweg begleitet und so in einer stets wachsenden Zahl von Behörden- und Firmendatenbanken gespeichert wird, bleiben die ebenso lang gespeicherten Bildungsevidenzdaten bei der Statistik Austria verknüpfbar. Dabei gäbe es schon jetzt von der Matrikel- bis zur Schülernummer eindeutige Kennzahlen, die nach Abschluss des Bildungswegs für den Lebensalltag und damit für die Datenbanken nicht mehr von Bedeutung sind.

Die Vorgehensweise der zuständigen Beamten im Bildungsministerium - für das Bildungsministerin Claudia Schmied nun einmal die Verantwortung trägt - bei der Gesetzesnovelle aber hinterläßt den verheerenden Eindruck: "Man wird ja wohl noch was probieren dürfen."

  • Mon, 22 Oct 2007 12:28 Frau Mag.a Petra Hafner, Pressesprecherin (Bildung), Büro Bundesministerin Dr. Claudia Schmied übermittelt folgende Reaktion des BM:UKK.
  • Thu, 25 Oct 2007 14:17 Das Büro BM Schmied muß die Teilnahme der Frau Minister absagen. Reaktion des BM:UKK 1.


[bearbeiten] Behörden und Verwaltung

[bearbeiten] Peter van der Arend [KPN]: Datamining-Standards für Telekomverkehrsdaten auf chinesische Art

Im European Telecom Standards Institute, wo vom Festnetz über GSM bis UMTS alle gültigen Standards für digitale Telefonie erarbeitet wurden, beschäftigt sich ein technisches Komitee ausschließlich damit, all diese Netze einheitlich überwachbar zu machen. Im Komitee "Lawful Interception" [TC LI] werden die Anforderungen der "Strafverfolger" [Law Enforcment] - also Polizei und Justiz - erstellt und dann in technische Standards gegossen, die dann für sämtliches Telekom-Equipment verbindlich sind. Die Überwachung ist so in allen Telefonienetzen von vornherein in Form von Schnittstellen strukturell integriert.

Nun ist in diesem Komitee LI ein Standard in Arbeit, der regelt, wie die im Rahmen der "Vorratsdatenspeicherung" gesammelten personbezogenen Verkehrsdaten zu liefern und abzutransportieren sind. Was Datenschützer stets befürchtet und Politiker stets abgestritten haben, wird gerade technisch normiert: Systematisches Data-Mining in den Verkehrsdaten aller Telefonieteilnehmer. Vollsuchen samt Einsatz von "Wildcards" über den gesamten Datenbestand sind technisch vorgesehen. In Österreich, wie in allen EU-Staaten ist Derartiges zwar [noch] absolut illegal, normiert wird es dennoch. Schließlich seien die ETSI-Standards nicht nur in Europa sondern weit darüber hinaus gültig, wird in den technischen Dokumenten dazu angemerkt.

Was den Behörden in nicht demokratischen Staaten gesetzlich erlaubt ist, gehört nämlich ebenfalls zum Komplex "Lawful Interception" und wird im gleichen Standard normiert. Damit wird ein technisches Regelwerk vorgegeben, das den bestehenden Gesetzen quer durch Europa offen widerspricht. Die notwendigen Einschränkungen durch rechtsstaatliche Legislaturen sind so die Ausnahme der kommenden ETSI-Norm.

Als Vorsitzender des TC "Lawful Interception" im European Telecom Standards Institute gibt Peter van der Arend von der Königlichen Niederländischen Telekom KPN seit Jahren das zivile Feigenblatt. Nicht einmal das Epithet "polizeistaatlich" ist angebracht, da untertrieben. Die Vorgaben werden nämlich nicht von von Polizisten oder Juristen, sondern vom holländischen Geheimdienst PIDS federführend formuliert, den zugehörigen Standard administriert der britische Geheimdienst MI5. Das deutsche Bundesamt für Verfassungschutz wirkt ebenso mit, wie die mit dem militärisch-elektronischen Komplex der USA eng verbundene Firma Verisign und zwei auf Telekom-Überwachung spezialisierte Unternehmen aus Israel.


[bearbeiten] Kommunikation und Marketing

[bearbeiten] Anthony E. Zuiker, C.S.I.-Autor: Aushebelung von Bürgerrechten als Unterhaltungsprogramm

Die C.S.I.-Serien präsentieren Rasterfahndung, DNA-Analysen und die Aushebelung von Bürgerrechten unkritisch, verharmlosend und gefährlich einseitig. CSI diente in den letzten Jahren als Prototyp einer ganzen Reihe weiterer ähnlich gelagerter Fernsehserien, in denen die Rechte der Bürger im Allgemeinen und der Verdächtigen im Speziellen in erster Linie als ermittlungsbehindernd dargestellt werden. Die C.S.I-Beamtern zeigen vielmehr, wie smart sie ihre Arbeit erledigen, in dem sie all diese Rechte links liegen lassen bzw. systematisch umgehen.

In kaum einer Folge konnten die Autoren - allen voran der Erfinder und Autor der meisten Folgen, Anthony E. Zuiker - widerstehen, schnell einmal eben die KFZ-Zulassungsdatenbank mit den Daten von Telefoniebetreibern, Kreditkartendaten mit denen von Handtaschenherstellern, oder Amazon Käuferverhalten mit Sexualstraftäterdatenbanken abzugleichen und anschaulich mit unterlegten Geodaten zu präsentieren. Damit bringt er die Charaktere der Sendung den entscheidenden Schritt zur Bezwingung des Bösen näher und besetzt diese invasiven Ermittlungsmethoden positiv. Die Ermittler benutzen des Weiteren alle Tricks, um heimlich und an den Schutzrechten der Bürger vorbei, DNA- und Fingerabdrücke von Verdächtigen zu besorgen.

In einem sensiblen und oft hochemotional gehaltenen Kontext werden im Kampf gegen Terror und Verbrechen Bürgerrechte zu einem lästigen Anhängsel des letzten Jahrhunderts degradiert und die Mittel durch den Zweck gerechtfertigt. Diese Indoktrination hat dementsprechend fatale Effekte in der politischen Diskussion über den Kampf gegen den Terror.

Neben einer ganzen Reihe von Privatsendern zeigt auch der ORF seit Jahren diese Serie. Trotz Bildungsauftrag und der Verpflichtung zur Objektivität werden die immer mehr ausufernde elektronische Überwachung, Biometrie, Bürgerrechte wie Privatsphäre und Datenschutz in den TV-Kanälen des öffentlich-rechtlichen ORF kaum bis gar nicht thematisiert.


[bearbeiten] Lebenslanges Ärgernis

[bearbeiten] Hans Dichand: Ein Leben als Manipulator der Republik

In den fast 50 Jahren seiner Regentschaft verstand er es mit seiner Zeitung die Politik und öffentliche Meinung in Österreich mehr als einmal entscheidend zu manipulieren. Die Krone erreicht etwa jede zweite Person im Land. Nicht selten ist die Krone daher der Treibstoff hinter der Volksmeinung. Das Medium bietet Investigativ-Journalismus der etwas anderen Art: Das Blatt reagiert auf Stimmungen und macht auch schon mal Stimmung - einige Menschen können davon ein bitteres Lied singen. Opinion Leader oder Wackelkandidaten stellen es sich gerne gut mit Dichand, der sein Mediengeschäft offenbar versteht. Wer will auch schon Hauptdarsteller einer „gut recherchierten“ Berichterstattung in der „Zeitung für das Volk, mit dem Volk“ sein. Eine Unzahl von Berichten wurden ausschließlich deshalb lanciert, um den strategischen Zielen ihres Eigentümers zu Nachdruck zu verhelfen. Dem Herausgeber nicht genehme Personen des öffentlichen Lebens wurden im Blatt denunziert, bloßgestellt oder „unabsichtlich“ ihre volle Adresse und Telefonnummer veröffentlicht. Was sich nicht direkt über die Redaktion erledigen ließ, das besorgten die Leserbrief-Schreiber des Blatts.


[bearbeiten] Publikumspreis

[bearbeiten] Innenminister Günther Platter [ÖVP]

Die Teilnehmer an der jurylosen Volkswahl entschieden sich mehrheitlich für den österreichischen Minister für Inneres Günther Platter.


[bearbeiten] Positivpreis "Defensor Libertatis"

[bearbeiten] Karl Korinek, oberster Verfassungsrichter der Republik

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, warnte im September 2007 im Zusammenhang mit der Terror-Bekämpfung vor einem Abrutschen in einen totalen Überwachungsstaat. Es bestehe die Gefahr, dass in der Sicherheitsdebatte grundrechtliche Grenzen überschritten würden. Der Wunsch nach Sicherheit verdränge die Grundrechte, wie das Briefgeheimnis, das Fernmeldegeheimnis und den Datenschutz, die seit der Revolution von 1848 die private Kommunikation schützen. Die Sensibilität für die Gefahren fehle offenkundig. „Ich habe manchmal den Eindruck, wir werden ähnlich stark überwacht wie seinerzeit die DDR-Bürger von der Stasi.“

Wenn sich der oberste Verfassungsrichter genötigt sieht, vor allgemeinen Entwicklungen zu warnen - dann ist was faul im Staate. Dementsprechend viel Presseecho zogen die Aussagen in den nachfolgenden Wochen auf sich. Was die meisten nicht verstanden haben: Überwachung ist Überwachung - egal für welchen noch so noblen Zweck und in welchem Kontext. Sind die Daten einmal da, verselbständigt sich zumeist auch ihre Verwendung.


  • Kontext: Kategorien und Nominierte 2007
  • Gewinner-Reaktionen werden selbstverständlich im vollen Wortlaut wiedergegeben und an dieser Stelle verlinkt