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Warum sie uns das Gehirn aussaugen 1.0

Die Lage der Informationsgesellschaft stellt sich kompliziert und verwirrend dar, aber nicht, weil durch den regen Datenfluss an sich die Übersicht verloren ginge und in der Folge das Abendland unter. Vielmehr verändern sich derzeit Macht- und Einflussverhältnisse, die mindestens 50 Jahre relativ stabil waren und alle Player müssen sich neu orientiern. Das verwirrende an der Informationswelt ist nicht der unbegrenzte Datenstrom, sondern seine Hindernisse, Dämme, Mauern und Filter, die sich ständig verschieben oder auf neuartige Weise errichtet werden.

Staaten und ihre Grenzen

Die Staaten müssen in einer Welt, in der Informationen und Kapital ihre Grenzen zunehmend ignorieren, gegen die Zersetzung ihres Hoheitsgebietes ankämpfen. Die zunehmende Undurchlässigkeit der Grenzen für Biomasse ist dabei keine wirkungsvolle Massnahme. Das Mittel der Wahl ist daher weltweit der Kampf um Informationshoheit, die immer mehr in den Gegensatz zu bürgerlichen Rechten und Freiheiten gerät. Die Situation der Staaten ist dabei alles andere als eindeutig, vielmehr stossen sie bei ihren Bemühungen um Datenkontrolle an vielfältige Grenzen und Widersprüche. Die Info-Beherrschungsversuche gehen daher auch nicht nach einem klaren Muster oder Plan vor, vielmehr werden Versuche in alle Richtungen aber dafür auf breiter Front unternommen, die scheitern oder realisiert werden, je nach dem wie gross die Widerstände auf dem entsprechende Feld sind.

Klar ist nur die Marschrichtung: Das althergebrachte Staats-Verständniss von prinzipiell ausgeübter Kontrolle auf einem bestimmten Territorium soll an die Datenwelt angepasst werden. Dass diese sich nicht durch klassische Grenzen gliedern lässt, ist offensichtlich der Hauptwiderspruch, mit denen die Staaten konfrontiert sind. Dies führt unter anderem zu einer Kollison mit anderen Staaten, aber auch zur langsamen Aushölung des Selbstverständnisses.

Bürger als kontrollierte Staatskunden

Die grössten staatlichen Anstrengungen werden momentan auf die umfassende Kontrolle von personen-bezogenen Daten verwendet, also die der Bürger und Bewohner eines Landes. Eher unbewusst folgen die Staaten damit dem Muster der New Economy, das für die derzeitige euphorisch-dynamische Entwicklungsphase das Sammeln von möglichst vielen Kundendatensätzen vorsieht, wobei oft unklar ist, welchen Verwendungszweck diese einmal haben könnten, aber gerade deshalb wird möglichst umfassend gehamstert, bzw. die Voraussetzungen dafür geschaffen.

Die Begründung für neue Abhör- und Archivierungs-Befugnisse sind wegen dieser Ziellosigkeit auch völlig austauschbar und dementsprechend blumig. In der Regel werden die Angst-Faktoren ins Spiel gebracht, die bei der Bevölkerung und den Medien gerade besonders gut ankommen, also Kinderpornographie, Terrorismus, Drogenhandel, krimminelle Ausländer oder "Hacker".

Sicher ist jedenfalls, dass die Staaten genau wissen, dass das unnötige Schüren von Ängsten sich hervorragend als mediale Nebelgranate eignet. So empfahl die EU-Kommission laut einem internen Protokoll der EU-Ratsgruppe "Polizeiliche Zusammenarbeit" den anwesenden Deligationen sinngemäss, "die Polizei solle mit dem Schlagwort 'Kinderpornografie' argumentieren, um weitere Überwachungskompetenzen zu erhalten." [Dokumentennummer DGJHA B/1/TB D99]. Die Kinderficker-Desinformations-Massnahmen sollen dabei konkret das systematische Anzapfen von digitalen Informationsleitungen [Daten und Sprache] voranbringen ["Interception of Telecommunications"].

Die Privatspäre in der Wirtschaft

Anders als Individuen, kann allerdings die Wirtschaft den Überwachungsbegehrlichkeiten der Staaten immer wieder wirkungsvolle Rückschläge versetzen: So liessen die Industrievertreter die Abschlusserklärung des G8-"Cyberterror"-Gipfels in Paris platzen oder verschleppen derzeit die Implementierung des technischen Standards "ES 201 671 1.1.1" des "European Telecom Standards Institute" [ETSI], mit der sich die jeweils "ermächtigten Behörden" jederzeit Zugang zu allen digitalen Datenströmen verschaffen wollen. Die Unternehmen fürchten dabei nicht den Verlust der Privatsphäre der Bürger sondern den ihrer eigenen.

Aber langfristig befindet sich die Wirtschaft in der Auseinandersetzung um die Datenhoheit in der besseren Position, da sie immer mobiler wird, so dass die Staaten bereit sind, ihr Zugeständnisse zu machen, um im Gegenzug neue Beschäftigungs- und Machtfelder zu besetzen.

So ist absehbar, dass die Schlapphüte der Regierungen zunehmend als Content-Provider für die "eigene" Wirtschaft fungieren, wodurch die Unternehmen wiederum durch neue Zwänge an die hergebrachten Staatsgrenzen gebunden werden: Regierungen werden als massgebliche Leistung nicht mehr die physische-, sondern die Daten-Integrität der "nationalen" Unternehmen wahren und die "ausländischer" Firmen angreifen.

Dadurch kollidieren dann die Staaten untereinander, wie dies derzeit in der EU-Diskussion um das US-Abhörsystem Echolon der Fall ist. Da im Datenraum gar nicht oder zumindestens nur sehr unvollkommen Grenzen dauerhaft befestigt werden können, ist davon auszugehen, dass sowohl die prinzipiellen Beziehungen zwischen Staaten, Unternehmen und Individuen, als auch die Allianzen zwischen einzelnen Aktionseinheiten einem ständigen, dynamischen Wandel unterworfen sein werden. Daher dürfte sich die Informationsgesellschaft wirklich in zunehmendem Masse unübersichtlich und diskontinuierlich weiterentwickeln. Für ein besseres Morgen: Camouflage anlegen und einen Ausblickspunkt ansteuern.

August 2000 | wa


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